Was ist gendergerechte Sprache (Gendern)?

Was bedeutet Gendern?

"Gender" bedeutet auf Englisch "Geschlecht". Hierbei, ist nicht das biologische Geschlecht (engl. sex) gemeint, sondern das soziale Geschlecht. "Gendern" bedeutet so viel wie gendergerechte Sprache und soll alle Geschlechter sichtbar machen.1(vgl. lpb-bw 2024)

Was ist das soziale und biologische Geschlecht?

Es gibt Menschen, die sich mit dem bei ihrer Geburt zugeordneten biologischen und sozialen Geschlecht, also ihrer Geschlechtsidentität, identifizieren können. Das biologische Geschlecht basiert auf messbaren Merkmalen wie Chromosomen, Hormonen und Geschlechtsorganen. Gender ist allerdings multidimensional und es gibt Menschen, bei denen kein eindeutiges biologisches Geschlecht zutrifft, da weibliche und männliche Merkmalen vorhanden sind. Dies nennt man dann Intergeschlechtlichkeit. Außerdem können Menschen sich trotz ihres bei der Geburt zugewiesenen biologischen Geschlechts diesem nicht zugeordnet fühlen, das bezeichnet man beispielsweise als trans* (Siehe Artikel Queerfeindlichkeit).

Das soziale Geschlecht wird durch die äußere Bewertung von Aussehen, Körpersprache und Handlungsweisen kategorisiert. Dazuzählen dann vermeintlich "typisch männliche" und "typisch weibliche" Rollen, Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Kleidung etc.2(vgl. FES 2024)

Wenn diese beiden Komponenten übereinstimmen, findet sich die Person in weiten Teilen in der für sie vorgesehenen Geschlechterrolle in der Gesellschaft wieder. Diese Rollen entstehen aus den Erwartungen, die die Gesellschaft an Männer und Frauen hat.3(ebd.) Diese Rollen variieren von Kultur zu Kultur und durchlaufen einen ständigen Wandel. Das Übereinstimmen des biologischen und des sozialen Geschlechts bedeutet nicht automatisch, dass man sich traditionellen Rollenbildern anpasst.

"Wieso gendern auf einmal alle?!"

Die Diskussion über eine geschlechtsgerechte Sprache ist kein Phänomen des 21 Jahrhunderts. Schon in den 1970ern sprach man über die Verwendung von geschlechtergerechter deutscher Sprache. Aber auch international befasste man sich mit genderinklusiver Sprache. 1978 brachten die Vereinten Nationen einen Ratgeber für genderinklusive Sprache in Englisch ("Guidlines for gender-inclusive language in English") heraus.4(vgl. UN 2024)

Im Jahr 1981 verwendete man zum ersten Mal das sogenannte Binnen-I. Der Gender-Gap, also der Unterstrich, feierte sein Debüt Anfang der 2000er. Die englischsprachige LGBTQI+ Community verwendete bereits in den 1990er das Gendersternchen. Der Doppelpunkt ist eine Genderform, die erst in den vergangenen Jahren dazu gekommen ist.5(vgl. Stier 2023)

Gendergerechte Sprache wird natürlich nicht nur in Deutschland angewendet. In vielen Sprachen sind bereits ursprünglich beide Geschlechter mitgemeint, wie beispielsweise im Türkischen. Neben Deutsch gibt es noch viele weitere Sprachen, wie beispielsweise romanische Sprachen, die stark nach dem Gender der gemeinten Personen ausgerichtet sind und eine eigene gendergerechte Sprache benötigen.6(vgl. Berlitz 2024)

Das Ziel von Gendern

Gendern ist ein Mittel, um geschlechtsspezifischer Diskriminierung (Sexismus verlinken) entgegenzuwirken und die Gleichbehandlung aller Geschlechter und Identitäten zu fördern sowie Geschlechterrollen neu zu definieren.7(vgl. lpb-bw 2024)

Gendern führt dazu, dass sich Frauen* oder nicht-binäre Personen mit angesprochen fühlen und repräsentiert werden. Nutzt man immer nur das generische Maskulinum, werden auch ausschließlich männliche Bilder im Kopf erzeugt ("male Bias"). Das führt dazu, dass Frauen* und nicht-binäre Menschen quasi gedanklich im Alltag nicht stattfinden, was die bereits bestehende Benachteiligung von Frauen* und nicht binären Menschen weiter schürt.8(Mentorium 2022) Gendergerechte Sprache führt dazu, dass Frauen* und nicht-binäre Menschen gedanklich mit einbezogen werden.9(Quarks 2023)

Frauen* und nicht-binäre Menschen werden dadurch sichtbarer, weil hinter Berufsbezeichnungen nicht nur männliche Personen vermutet werden. Gendern ist auch hilfreich, wenn es um Stellenanzeigen und Bewerbungen geht, da sich dadurch auch mehr Frauen* und nicht-binäre Menschen angesprochen fühlen und bewerben. Gendern hat auch einen  positiven Effekt auf Kinder, da es ermöglicht, dass sich Mädchen* eher für männlich geprägte Berufe entscheiden und Jungen* sich auch für Berufe entscheiden, die vermeintlich nur an Frauen* gerichtet sind (Beispiel: Geburtshelfer/Geburtshelferin).10(vgl. ebd.)

Wie gendert man?

Wie bereits erwähnt, gibt es verschiedene Möglichkeiten zu gendern. Zum einen kann man beide Formen benutzen (Beispiel Lehrer und Lehrerinnen). Um den Satz zu verkürzen, gibt es das sogenannte Binnen-I, sprich LehrerInnen oder man trennt die Worte mit einem Trenn- und Bindestrich (Lehrer/-innen). Diese Form des Genderns ist jedoch nicht unumstritten, da sie die geschlechtliche Vielfalt nicht einschließt. Um trans* und/oder inter* Menschen mit zu meinen, gibt es die Option, das sogenannte Gendersternchen oder der Unterstrich/Gender-Gap (Schüler_innen), der von vielen Menschen bevorzugt wird, da sie die Lücke zwischen den Geschlechtern symbolisiert und als "inklusiver" betrachtet wird. Eine weitere Form ist der Doppelpunkt (Handwerker:innen), der vor allem für Leseprogramme besser gelesen werden kann.11(vgl. lpb-bw 20204)

Eine besonders simple Form des Genderns ist, eine neutrale Formulierung zu wählen, bei der alle Geschlechter mitgemeint sind. Die Formulierungen Lehrkraft, Teilnehmende, Studierende etc. ermöglichen beispielsweise ebenfalls eine geschlechtsneutrale Ansprache.12(vgl. bpb 2024)

Rechtslage

In Deutschland gibt es keine einheitliche gesetzliche Regelung zur gendergerechten Sprache. Es gibt aber unterschiedliche Empfehlungen und Richtlinien auf Bundes- und Länderebene, aber auch in Bezug auf Institutionen, die eine gendergerechte Sprache fördern.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) benennt zwar keine konkreten Richtlinien zur Verwendung von gendergerechter Sprache, trotzdem fördert es den Einfluss und die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache. Das AGG hat zum Ziel, Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts zu verhindern, was mit der Anwendung von Gendern gefördert werden kann. Institutionen und Unternehmen sind durch das AGG dazu angehalten, die Gleichstellung ihrer Mitarbeitenden zu fördern.13(vgl. Antidiskriminierunggstelle des Bundes 2024)

Darüber hinaus haben einzelne Behörden und Unternehmen ihre eigenen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache festgelegt, wie zum Beispiel das Umweltbundesamt,das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration Rheinland Pfalz, unterschiedliche Universitäten (z. B. die Universität Köln) oder Behörden (z. B. die Stadt Bonn).

Dass in Deutschland kein Rechtsanspruch auf das Gendern, vor allen in amtlichen Kontexten, besteht, zeigt ein Fall von 2020. In diesem Jahr entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Verwendung des generischen Maskulinums in amtlichen Formularen nicht verfassungswidrig ist und kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot darstellt. Eine Bürger:in hatte dagegen geklagt, da sie der Ansicht war, dass Frauen* dadurch nicht angemessen angesprochen würden. Das Bundesverfassungsgericht argumentierte, dass das generische Maskulinum als fester Bestandteil der deutschen Sprache, zur sprachlichen Vereinfachung dient und keine Abwertung von Frauen* darstellt.14(vgl. Tagesspiegel 2020)

Kritik am Gendern

Gendern sorgt immer wieder für Diskussionen im öffentlichen Raum. Eine Umfrage von 2023 des Marktforschungsinstituts YouGov befragte die deutsche Bevölkerung zur Frage, wie relevant für sie Gendern ist. 50 % der Teilnehmenden gaben an, dass für sie Gendern "sehr unwichtig" ist. Nur 8 % stuften geschlechtersensible Sprache als "sehr wichtig" ein.15(vgl. YouGov 2023) In Bayern ist das Gendern in Behörden, Schulen und Universitäten sogar offiziell seit 2023 verboten.16(vgl. NDR 2024) Mit dem Verbot soll vermeintlich erreicht werden, dass keine Bevormundung stattfindet und Menschen durch eine "ideologisch geprägte Sprache (Gendern) ausgeschlossen werden". Kritiker:innen des Verbots merken an, dass ein Verbot des Genderns vielmehr eine Bevormundung darstellt.17(vgl. ebd.)

Viele Gegner:innen des Genderns finden gegenderte Wörter unästhetisch und sagen, dass sie schwerer zu lesen und zu verstehen sind, besonders für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Andere wiederum sorgen sich um den Verlust von einem traditionellen Sprachgebrauch und dass Gendern ein künstlicher Eingriff in die deutsche Sprache bedeutet.

Dagegen könnte man jedoch argumentieren, da es in der Vergangenheit schon zu vielen sprachlichen Veränderungen kam und sich Menschen auch an diese gewöhnt haben. Zum Beispiel wurden bereits seit dem 19. Jahrhundert englische Begriffe in den deutschen Sprachgebrauch übernommen wie zum Beispiel das Wort "Streik" "Interview" oder "Clever".18(vgl. Spotlight 2024) Außerdem finden sich in dem immer mehr Anglizismen oder "Denglisch" (z.B. Handy, Public Viewing, Beamer, Messie) in der Alltagssprache wieder. 19(vgl. Urschinger 2024)

Sprache ist dynamisch und passt sich immer wieder neu an. Gendergerechte Sprache fördert das Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit und beeinflusst unser Denken, um stereotypische Rollenmuster aufzubrechen.

Wie sich gendergerechte Sprache in Zukunft entwickeln wird, ist noch unklar. Einerseits stößt man in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen auf Widerstand, wenn es um Gendern geht. Viele Menschen empfinden es als kompliziert, nicht Leser:innenfreundlich und überfordernd. Andererseits erfährt gendergerechte Sprache in einigen Bereichen immer mehr an Akzeptanz. Beispielsweise verwenden viele Institutionen bereits neutrale Formen (z.B. Studierende).

Zum Weiterlesen:

Bundesverband Queere Bildung e. V. (2021): Qualitätsstandards für die Arbeit mit Schulklassen und in der außerschulischen Jugendarbeit. Link zur Publikation (letzter Aufruf: 05.11.2025)

Bundesverband Queere Bildung e. V. (2022): wort·schatz zur Vielfalt von Geschlecht, Beziehung, Liebe und Sexualität. Link zur Publikation (letzter Aufruf: 05.11.2025)

Dissens- Institut für Bildung und Forschung e. V. (o.J.) Dieses Genderdings! Wörterbuch

Familien- und Sozialverein des LSVD e.V. (2022): Queer-Papier #1: Regenbogenkompetenz in der Jugendarbeit. Zum professionellen Umgang mit Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt. Link zur Publikation (letzter Aufruf: 05.11.2025)

Osterkamp, Robin et al. (2021) Geschlechtliche Vielfalt im Klassenzimmer. Infobroschüre zur Begleitung von trans*, inter* und nicht-binären Jugendlichen in der Schule. Link zur Publikation (letzter Aufruf: 05.11.2025)

Vielfalt-Mediathek (2023) kurz erklärt: Queerfeindlichkeit, Link zum Artikel (letzter Aufruf: 05.11.2025)

Quellen

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2024): Geschlecht und Geschlechtsidentität. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Berlitz (2023): Gendern in anderen Sprachen. So machen es die Länder. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Bundeszentrale für politische Bildung (2024): Geschlechtergerechte Sprache. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Echte Vielfalt (2021): Sex vs. Gender: Biologisches & Soziales Geschlecht. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Friedrich Ebert Stiftung (2024): Gender. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (2024): Gendern: Ein Pro und Contra. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Mentorium (2022): Was bedeutet Gendern? Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Müller-Neuhof, Jost (2020): Streit um das "generische Maskulinum": Verfassungsgericht weist Beschwerde auf geschlechtergerechte Anrede ab. Link zum Artikel (letzter Aufruf 05.11.2025)

NDR (2024): Geschlechtersensible Sprache – was ist so schlimm am Gendern? Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Quarks (2023): Was gendern bringt und was nicht. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Spotlight (2024): Denglische Wörter, die ur Deutsche verstehen. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Stier, Isabell (2023): Geschichte geschlechterneutraler Sprache. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

UN (2024): Guidelines for gender-inclusive language in English. Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Urschinger, Kira (2024): 8 denglische Wörter & was sie auf Englisch wirklich bedeuten! Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

YouGov (2023): Finden Sie geschlechtergeschlechtliche Sprache, sogenanntes Gendern (z.B. Lehrer*in/Lehrer) wichtig oder unwichtig? Link (letzter Aufruf 05.11.2025)

Weitere Materialien zum Thema

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Herausgeber:in: Bundesverband Queere Bildung e. V.

Veröffentlicht: 2021/2022

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archiviert
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Herausgeber:in: Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V.

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