Roma in Society. Reloaded
Das Projekt konzentriert sich auf die fortlaufenden Auswirkungen von Verfolgung und die gegenwärtige Lage der Rom:nja, insbesondere im Hinblick auf Diskriminierung und soziale Ausgrenzung. Hauptziel des Projekts ist die Umsetzung von Maßnahmen zur Antidiskriminierung sowie Empowerment-Ansätze für junge Rom:nja. Durch Bildungsveranstaltungen soll aktiv gegen Vorurteile und Rassismus entgegengewirkt werden. Das Projekt möchte positive Darstellungen von Rom:nja aus den migrantischen Rom:nja-Communities fördern. Zusätzlich beschäftigt es sich mit dem Porajmos 1Völkermord an den europäischen Rom:nja und neuen Formen des Gedenkens.
Warum habt ihr das Projekt ins Leben gerufen?
Rom:nja leben seit ca. 700 Jahren in Europa. Es gibt sehr viele falsche Vorstellungen, Stereotype und Rassismus gegen Rom:nja in unseren Gesellschaften. Mit dem Projekt wollten wir realistische Bilder über Rom:nja vermitteln. Das heißt zum Beispiel porträtieren wir Menschen aus der Community, die sich für die Rechte von Rom:nja einsetzen. Dazu gehören sowohl Menschen aus der Gegenwart wie etwa Anwält:innen, Künstler:innen, Schauspieler:innen, Politiker:innen, Sportler:innen etc. Wichtig ist uns aber auch vor dem Hintergrund des nach wie vor kaum bekannten Völkermords an den Roma sowohl diesen selbst – und zwar die gesamteuropäische Dimension – als auch über den Widerstand von Rom:nja zu thematisieren. Widerstand umfasst dabei nicht nur den bewaffneten Widerstand. Er umfasst immer wieder auch die Solidarität und den Schutz für andere, wie etwa Alfreda Markowska, die selbst ein Massaker überlebt hat und dann zahlreiche Kinder aus den Deportationszügen nach Auschwitz gerettet hat.
Wichtig ist auch das Mittel der Popkultur. Wir stellen der Öffentlichkeit Charaktere aus Comics vor, die in den ursprünglichen Comics eine Roma-Herkunft haben, die diesen Figuren jedoch vor allem durch die letzten Verfilmungen häufig genommen wurde. Dazu zählen etwa Dr. Doom, Magneto, Scarlet Witch oder Dick Greyson a.k.a. Robin. Anhand dieser Charaktere lässt sich auch immer wieder etwas über die Geschichte der Roma, ihre Verfolgung und ihren Widerstand, erzählen.
Ein wichtiger Teil des Projekts ist die Antidiskriminierungsarbeit, mit der wir die Mehrheitsbevölkerung für die Situation von Rom:nja sensibilisieren. Sie richtet sich an verschiedene Zielgruppen. Wir betrachten dabei besonders die Arbeit mit Multiplikator:innen, etwa der sozialen Arbeit.
Bei all unserer Arbeit liegt der Schwerpunkt immer auf den migrantischen Rom:nja. Im Bereich des Gedenkens, einer der weiteren wichtigen Schwerpunkte des Projekts, richtet sich daher unser Fokus auf ihre Einbeziehung. Wir veröffentlichen Artikel über die Verfolgung in verschiedenen europäischen Staaten, aber immer auch über den Widerstand dagegen. Unsere Gedenkarbeit bezieht sich nicht nur auf den Porajmos, sondern auch auf zwei weitere kaum beleuchtete Themen: die Vertreibung der Rom:nja aus dem Kosovo nach dem Krieg 1999 und den Pogrom von Rostock-Lichtenhagen, bei dem Rom:nja neben Vietnames:innen, die Haupt-Opfer waren. Für uns ist ein Blick auf die Kontinuitäten von besonderer Relevanz und die Gegenwart beim Gedenken einzubeziehen, da die heute in Deutschland lebenden Rom:nja, Nachkommen der Opfer des Holocaust sind.
Wie läuft das Projekt ab?
Wir führen bundesweit Veranstaltungen im Bereich Antidiskriminierung durch. Dafür haben wir Konzepte entwickelt, die aktuelle Ereignisse mit einbeziehen. In den Projektzeitraum fallen zwei große Ereignisse, die nicht vorherzusehen waren, aber einen großen Einfluss auf uns alle hatten: die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg. Rom:nja waren auf vielfältige Weise von der Pandemie betroffen, die Diskriminierung nahm erheblich zu. Dies mussten wir dann spontan in das Projekt einbauen. Interessanterweise war einer der ersten „Massenausbrüche“ am Anfang der Pandemie bei uns in Göttingen und Rom:nja wurden dafür verantwortlich gemacht. Unsere Reaktion darauf hat große Wellen geschlagen.
Der Krieg in der Ukraine hat uns alle schwer erschüttert und europaweit eine große Solidarität mit den Flüchtenden hervorgerufen. Rom:nja, die von dort flüchteten, waren jedoch weniger willkommen. Sie erlebten auf der Flucht und in den Ländern, in die sie flohen, vielfach Diskriminierung und die Strukturen waren überfordert. Wir haben unglaublich viele Anfragen für Veranstaltungen zur Sensibilisierung von Multiplikator:innen, die mit Geflüchteten arbeiten, erhalten. Das Wissen über die Situation, aus der diese Menschen kommen, ist gering.
Neben dieser Grundlagenarbeit schreiben wir regelmäßig Artikel über Diskriminierung, historische und gegenwärtige Themen, Roma-Held:innen aus Geschichte, Gegenwart und Fiktion. Einen Teil der Themen haben wir als Video-Clips veröffentlicht und in einer Broschüre publiziert, die man bei uns bestellen kann. Für das Jahr 2024 planen wir einen Podcast, bei dem wir die interessantesten Themen als Audios aufbereiten.
Was braucht ihr, damit das Projekt gelingt? Wo liegen mögliche Herausforderungen?
Wir sind immer wieder mit Vorurteilen, Kulturalisierung und rassistischen Einstellungen konfrontiert. Besonders bei Veranstaltungen ist dabei viel Fingerspitzengefühl und ein flexibler Umgang mit Situationen nötig. Manchmal muss man während der Veranstaltung Änderungen am Konzept vornehmen, weil ein unvorhergesehenes Thema oder Fragestellung vorkommt.
Was habt ihr aus dem Projekt gelernt?
Am meisten gelernt haben wir sicherlich durch die Herausforderungen, vor, die uns die Pandemie gestellt hat. Veranstaltungen und Treffen in Präsenz waren über längere Zeiträume nicht mehr möglich und dann nur eingeschränkt möglich waren. Wir haben nach Alternativen gesucht und dadurch digitale Formate entwickelt und unsere Methoden adaptiert. Viele Inhalte, darunter auch von uns erstellte Video-Clips, wurden gestreamt. Wir haben dadurch viel gelernt und einen Teil der Formate sind auch jetzt noch eine Bereicherung. Wir erreichen durch sie z. B. Menschen, die man sonst nicht erreichen könnte. Durch digitale Tools hat sich auch unsere Vernetzung intensiviert, da wir uns so regelmäßig mit Menschen, die nicht in unmittelbarer Nähe sind, intensiv austauschen können.
Die Fragen beantwortete/n:
Roma Center e. V.