Veränderungsimpulse bei rechtsorientierten Jugendlichen durch Kurzinterventionen setzen
Die Vorstellung von singulären Interventionen, die eine „Heilung“ von rechtsextremer Orientierung mit sich bringen, greifen zu kurz. Veränderungen und Distanzierung von rechtsextremen Einstellungen und Verhaltensweisen sind ein langwieriger Prozess, den es kontinuierlich zu begleiten gilt. Veränderungswille bei den Jugendlichen entwickelt sich nicht selten erst im Zusammenhang mit schwerwiegenden bspw. strafrechtlichen Folgen oder bei negativen Erlebnissen in rechtsextremen Szenezusammenhängen. Die Methode der Veränderungsimpulse durch Kurzinterventionen setzt bereits früher an, in dem sie niedrigschwellig Impulse für Veränderungsprozesse gibt und die Jugendlichen dort abholt, wo sie mit ihrer rechtsextremen Orientierung stehen. Die Methode adaptiert dabei „MOVE – Motivierende Kurzintervention“ der ginko Stiftung aus dem Bereich der Suchtprävention für die sekundäre Rechtsextremismusprävention.
Im Rahmen des Projektes „VIR – Veränderungsimpulse setzen bei rechtsorientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ werden Personen, die in Jugendarbeit, Schule oder in Sportvereinen beruflich oder ehrenamtlich im Kontakt mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen stehen, befähigt, über Gesprächsführung diese Veränderungsimpulse zu geben. So wird zugleich die Kontinuität in der Arbeit mit diesen Jugendlichen erreicht, die einmalige, zeitlich befristete Projekte oftmals nur schwer leisten können.
_(Ablauf)_
Grundlage für Veränderungsimpulse ist das Wissen über Veränderungsprozesse nach dem Transtheoretischen Modell. Dieses Modell wurde von James O. Prochaska entwickelt und beschreibt fünf Stadien der Verhaltensveränderung:
Um Veränderungsprozesse angemessen anregen zu können, ist es daher zentral zu erkennen, in welchem Stadium im Veränderungsprozess die Jugendlichen stehen. Dies kann mithilfe von Gesprächstechniken wie dem aktiven Zuhören herausgefunden werden. Mit motivierender Gesprächsführung werden Jugendliche und junge Erwachsene dort abgeholt, wo sie mit ihren rechtsextremen Orientierungen stehen.
Die Methode versteht sich als Gesprächsangebot an Betroffene, sich mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen. Typische Gesprächssituationen sind beispielsweise Pausengespräche in der Schule, Tür-und-Angel-Gespräche im Jugendclub oder im Sportverein sowie zwischen Strafgefangenen und Beschäftigten im Jugendstrafvollzug. Diese Kurzberatungen sind anlassbezogene Gespräche zwischen zehn und 60 Minuten.
Im „change talk“ gilt es, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst geäußerten Veränderungswillen zu spiegeln und bewusst zu machen. So kann intrinsische Motivation, d. h. die eigene Motivation für Verhaltensänderungen gefördert werden. Die Aufmerksamkeit wird hierbei auf Vorteile einer Verhaltensveränderung gelenkt und zugleich werden mögliche Nachteile des rechtsextremen Verhaltens aufgezeigt. Zentral ist jedoch, dass die Vorteile wie Nachteile nicht durch den Gesprächspartner an den Jugendlichen herangetragen werden, sondern sich direkt aus dem Gespräch ergeben. Daher ist die Gesprächstechnik des aktiven Zuhörens wesentliches Element.
_(Gelingensfaktoren)_
Das oben beschriebene Vorgehen ist nicht als fertiges Rezept zu verstehen. Es bietet Anreize zum Umgang mit rechtsextremen Verhaltensweisen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, bleibt aber letztendlich wie jedes pädagogische Handeln ergebnisoffen. Wichtig für eine möglichst große Wirksamkeit ist eine kontinuierliche Begleitung der betroffenen Jugendlichen. Um dieses eigentlich aus der Suchtprävention stammende methodische Konzept mit rechtsorientierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfolgreich anwenden zu können, ist Wissen über Ein- und Ausstiegsprozesse sowie jugendliche rechtsextreme Lebenswelten unabdingbar.
_(Lessons Learned)_
Es zeigt sich, dass kleine Anstöße oft viel wirksamer sind als große. So wird für die Jugendlichen die Hürde zu Veränderungen herabgesetzt. Zugleich dürfen Misserfolge oder Rückschritte nicht als Abbruch des Veränderungsprozesses gedeutet werden. Sie sind Bestandteil langwieriger Veränderungsprozesse.