Zusammen1 – Für das, was uns verbindet
Die Initiative für Vielfalt auf deutschen Sportplätzen
Warum habt ihr das Projekt ins Leben gerufen?
Antisemitische Grundhaltungen offenbaren sich im „Brennglas Sport“ immer wieder in verbaler, visueller oder physischer Diskriminierung. Vor allem im Fußball werden diskriminierende Verhaltensweisen teils widerspruchslos geduldet, gar nicht erst erkannt, oder nicht an die vorhandenen Meldestellen übermittelt. Zweifellos unterstellen wir dem organisierten Sport in Deutschland ein Interesse an der Bekämpfung von Antisemitismus; nichtsdestotrotz bestehen hinsichtlich der Prävention, Erfassung und Ahndung antisemitischer Vorfälle nach wie vor strukturelle Defizite. Die Notwendigkeit des Projekts offenbaren auch die Ergebnisse unserer Auftaktstudie: 39 % der MAKKABI-Mitglieder in Deutschland waren bereits mindestens einmal persönlich von einem antisemitischen Vorfall betroffen – wohl wissend, dass es sich bei den Vorfällen gegen MAKKABI nur um die Spitze des Eisbergs handelt.
Wie läuft das Projekt ab?
Wir stärken alle Akteur:innen des organisierten Sports im Umgang mit Antisemitismus und anderen Diskriminierungsformen, zeigen Handlungsstrategien auf und entwickeln bedarfsgerechte pädagogische Maßnahmen. Unser Projekt basiert auf einem 3-Säulen-Konzept aus unseren drei V’s:
VERSTEHEN
Noch immer besteht im Bereich der Antisemitismusforschung im Sport ein immenses Dunkelfeld. Dem wollen wir uns bei Zusammen1 aktiv annehmen: Gemeinsam mit interessierten Kooperationspartner:innen wollen wir verstehen, wann und wieso es im organisierten Sport zu Vorfällen kommt und welche Präventions- und Interventionsstrategien nachhaltigen Erfolg versprechen.
VERMITTELN
Wir vermitteln interessierten Akteur:innen auf allen Ebenen des organisierten Sports zielgruppengerechte Strategien im Kampf gegen Vorurteile, Hass und Ausgrenzung. Neben klassischen Seminaren und Workshops ist eine Innovation des Projekts das Anbieten niedrigschwelliger „Pädagogischer Trainings“, wo wir die Vermittlung zivilgesellschaftlicher Bildungsinhalte mit (sportwissenschaftlich bewährten) Trainings- und Spielformen koppeln.
VERÄNDERN
Die Bildung eines starken Netzwerks mit Organisationen und engagierten Personen in- und außerhalb des Sports sehen wir als elementare Voraussetzung, um ein nachhaltiges Zeichen gegen Antisemitismus und Diskriminierung zu setzen. Das Projekt lässt sich inhaltlich an der Schnittstelle zwischen dem organisierten Sport und der (antisemitismuskritischen) Bildungslandschaft verorten. Durch die Bündelung der Kompetenzen aus beiden Bereichen können passgenaue Handlungsstrategien entwickelt werden, um hinsichtlich der Prävention von und Intervention nach antisemitischen Vorfällen signifikante Verbesserungen herbeizuführen. Insbesondere im Bereich der Meldestrukturen gibt es hier noch eine Menge zu tun.
Was braucht ihr, damit das Projekt gelingt? Wo liegen mögliche Herausforderungen?
Zunächst einmal gilt es zu akzeptieren, dass auch 2021 an vielen Stellen noch immer eine Erstsensibilisierung für das Thema nötig ist. Die angesprochenen Leerstellen in Sachen Forschung und die Probleme im Bereich des Reportings führen dazu, dass Antisemitismus oftmals entweder nur als Teil von Rassismus mitgedacht oder sogar als abgeschlossenes Problem aus der Zeit des Nationalsozialismus betrachtet wird. Hier ist dementsprechend noch eine intensive Aufklärungsarbeit nötig. Andererseits liegt im Sport ein riesiges Begeisterungspotenzial – das ermöglicht uns einen Zugang zu Zielgruppen, der in anderen Gesellschaftsbereichen nicht bestehen würde. Der oft beschworene „Integrationsmotor Sport“ ist also kein Hirngespinst, allerdings entfaltet er seine Wirkung in der Regel nur mit pädagogischer Begleitung.
Wie hat die Corona-Pandemie den Verlauf des Projekts beeinflusst? Welche kurzfristigen Lösungen habt ihr gefunden?
Die Pandemie hat natürlich die Konzeption unserer Pädagogischen Trainings ein wenig ausgebremst. Das haben wir insbesondere dadurch kompensiert, dass wir mit unser Auftaktstudie Zwischen Akzeptanz und Anfeindung. Antisemitismuserfahrungen jüdischer Sportvereine in Deutschland. eine erste sozialwissenschaftliche Grundlage für die Erarbeitung von Präventionsstrategien legen konnten. Außerdem hatte die Pandemie nicht nur Nachteile: Die Umsetzung von Schulungsmaßnahmen, z.B. für eine Gruppe von Stützpunkttrainer:innen, lässt sich digital schlichtweg bedeutend leichter umsetzen. So gelang uns bereits im ersten Projektjahr ein Zugang zu verschiedenen Akteur:innen, bei denen mit „analoger“ Kontaktaufnahme wohl mehr Überzeugungsarbeit hätte geleistet werden müssen.
Die Fragen beantwortete:
Lasse Müller – Bildungsreferent Zusammen1