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Nationalsozialismus

Eine kurze geschichtliche Einordnung

Nationalsozialismus beschreibt die völkisch-antisemitische 1(Antisemitismus) und antidemokratische Ideologie, die sich in den Jahren zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg formiert und in Deutschland als Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) organisiert hat. Unter der Führung Adolf Hitlers wurde im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie, getragen und unterstützt von der Mehrheit der Gesellschaft, in Deutschland von 1933 – 1945 eine totalitäre Diktatur errichtet 2(vgl. Thamer). Grundlegende Ideologieelemente waren dabei unter anderem:

  • Antisemitismus und Rassismus als Abwertungs- und Ausgrenzungsideologien in Verbindung mit der Vorstellung einer überlegenen „arischen Herrenrasse“
  • Blut und Boden Ideologie, also die Vorstellung der Einheit eines als homogene „Rasse“ definierten Volkes mit seinem ursprünglichen Siedlungsgebiet

Im Holocaust wurden aufgrund der antisemitischen Ideologie mindestens 6 Millionen Juden:Jüdinnen in sogenannten Konzentrationslagern systematisch ermordet. Ebenso wurden aufgrund einer Ideologie der Ungleichwertigkeit Rom:nja und Sinti:zze, Menschen mit Behinderung, queere Menschen sowie politische Gegner:innen in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet 3(vgl. Wildt 2012: 67-70).

Wichtig ist zu betonen, dass die genannten Ideologieelemente nicht erst seit der Zeit des Nationalsozialismus existieren. Antisemitismus existiert seit mehr als 2000 Jahren und verschiedene rassistische Denkweisen verfestigten sich im Denken der europäischen Gesellschaften während der Kolonialzeit.

Nationalsozialismus heute – was geht mich das an?

Mit dem Sieg der Alliierten endete der Zweite Weltkrieg am 8. Mai 1945 in Europa. Doch endete mit dem Zweiten Weltkrieg auch die Ideologie des Nationalsozialismus? Die Antwort ist Nein. Einige Ideologieelemente ziehen sich bis heute durch unsere Gesellschaft:

So sind verschiedene Formen des Antisemitismus bis heute in der Gesellschaft vertreten, mal mehr, mal weniger direkt erkennbar. Auch Rassismus und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit, in denen Menschen aufgrund ihrer (zugeschriebenen) Herkunft oder Religion, einer Behinderung oder ihres sozialen Status abgewertet werden und nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie andere, bestehen bis heute in individuellen Einstellungen von Menschen aber auch in Institutionen wie beispielsweise Behörden, im Gesundheits- oder im Schulsystem weiter 4(vgl. Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft 2020).

Verschiedene neuere extrem rechte politische und gesellschaftliche Bewegungen argumentieren vermehrt mit Aussagen einer ethnopluralistischen Ideologie, die der Blut und Boden Ideologie ähnelt. Sie sind gegen Migration und Einwanderung nach Deutschland und hetzen rassistisch gegen Migrant:innen und Geflüchtete 5(vgl. Brandenburgische landeszentrale für politische Bildung 2020). Gleichzeitig fordern sie eine Abkehr von der deutschen Erinnerungskultur in Bezug auf die Taten der NationalsozialistInnen. Die Argumentation dahinter ist, dass die heute lebenden Generationen keine direkte Schuld an den Taten der NationalsozialistInnen insbesondere dem Holocaust treffe und sie deshalb auch keine Verantwortung tragen. Sie fordern somit einen „Schlussstrich“ in der Erinnerungskultur zu ziehen 6(vgl. Gessler 2006).

Warum ist diese Einstellung so falsch und gefährlich? Natürlich trifft den Großteil der heute in Deutschland Lebenden keine Schuld am Holocaust. Dennoch tragen alle die Verantwortung die Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Holocaust hoch zu halten. Denn nur eine konsequente Auseinandersetzung mit den antisemitischen, rassistischen und antidemokratischen Ideologien aus dieser Vergangenheit ermöglicht es ihre Kontinuitäten und Nachwirkungen heute zu verstehen und zu reflektieren 7(vgl. Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft 2020).

Deutschland = Erinnerungsweltmeister?

Erst seit den 1990er Jahren hat sich die Erinnerungskultur in Bezug auf den Nationalsozialismus zu einem wichtigen Element im Selbstverständnis und in der internationalen Darstellung der Bundesrepublik entwickelt. Das war nicht immer so. Noch bis in die 1980er Jahre herrschte eher eine gewisse Zurückhaltung in Bezug auf die Thematisierung der Verbrechen und der Akteur:innen des Nationalsozialismus 8(vgl. Messerschmidt 2016: 16). Die heute festverankerte Erinnerungskultur und der Umgang mit der Vergangenheit in Deutschland gelten oftmals als Erfolgsgeschichte. Jedoch zeigen verschiedene Studien die Lücken dieser Form der Vergangenheitsbewältigung auf: Eine Studie der Hamburger Körper-Stiftung von 2017 zeigte, dass Auschwitz für rund 40 Prozent der befragten Schüler:innen ab 14 Jahre kein Begriff sei 9(vgl. MiGAZIN 2017).

Mit MEMO Deutschland – Multidimensionaler Erinnerungsmonitor erforscht das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld (IKG) seit 2018 Erinnerung in der deutschen Bevölkerung. 2018 verneinten dabei 69 Prozent der Befragten, dass ihre Vorfahren Täter:innen in der Zeit des Nationalsozialismus waren 10(vgl. Memo 2022). Diese Einschätzung zeigt eine gefährliche Tendenz. Denn die Ideologie und die Taten der NationalsozialistInnen wurden von einem Großteil der damaligen Gesellschaft unterstützt, getragen und geduldet. Nur ein sehr geringer Teil war im Widerstand gegen das Regime 11(vgl. Welzer 2007).

2020 gaben 87 Prozent der Befragten an, dass der Begriff ‚Befreiung‘ die passende Beschreibung für das Ende des Zweiten Weltkrieges für Deutschland sei 12(vgl. MEMO 2022). Zu dieser Aussage gibt es verschiedene Meinungen. Am 8. Mai 1945 wurde die Kapitulation aller Streitkräfte der Wehrmacht unterzeichnet. In verschiedenen Europäischen Ländern wird der 8. Mai als Tag der Befreiung und des Sieges angesehen und gefeiert. Auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde von 1950-1967 der 8. Mail als „Tag der Befreiung“ gefeiert. Spätestens seit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäckers am 8. Mai 1985 gilt der Tag auch in der Bundesrepublik als „Tag der Befreiung“ vom Nationalsozialismus und der Diktatur 13(vgl. Brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung 2014). Andere Stimmen kritisieren, dass durch den Begriff der Befreiung verharmlost werde, dass das nationalsozialistische Regime vom Großteil der deutschen Bevölkerung unterstützt und mitgetragen wurde. Nach dieser Argumentation wurde die deutsche Bevölkerung zum Ende des Zweiten Weltkrieges also nicht von den NationalsozialistInnen befreit, sondern erlebte eine Niederlage 14(vgl. Czollek 2020: 17f).

Strategien für eine pädagogische Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der Migrationsgesellschaft

Die deutsche Bevölkerung ist im Wandel. Deutschland ist eine Migrationsgesellschaft. Rund ein Viertel der Bevölkerung hat eine Migrationsgeschichte und nicht alle Menschen, die in Deutschland leben haben einen familiären Bezug zum Nationalsozialismus. Eine pädagogische Thematisierung des Nationalsozialismus sollte diese verschiedenen Realitäten miteinbeziehen, ohne dabei außer Acht zu lassen, dass das Annehmen einer eigenen Verantwortung im Umgang mit den Folgen des Nationalsozialismus in der Gegenwart keineswegs daran geknüpft ist, ob eine familiäre Migrationsgeschichte besteht oder nicht 15(vgl. Messerschmidt 2016: 17f). Geschichtszugänge sind unabhängig von nationaler Herkunft. Vielmehr basieren sie darauf, welche Anknüpfungspunkte im Rahmen einer pädagogischen Thematisierung geboten werden, um die Frage „Was hat das mit mir zu tun?“ bearbeiten und eine Selbstreflexion anstoßen zu können 16(vgl. ebd.: 21).

Mögliche pädagogische Ansätze für die Thematisierung des Nationalsozialismus in der Migrationsgesellschaft sind:

  • Die Lernenden dort abholen, wo sie stehen – durch die Orientierung an ihren Lebensrealitäten entstehen Anknüpfungspunkte für die Bearbeitung des Themas mit dem Ziel die Partizipation und die eigene Auseinandersetzung mit der Geschichte anzuregen 17(vgl. Schacht 2012: 12).
  • Die NS-Geschichte als globale Geschichte vermitteln – Die Verbrechen der NationalsozialistInnen hatten eine internationale Dimension und Auswirkungen, die über den Deutschen und europäischen Raum hinausgingen. Hier eröffnet sich die Möglichkeit an das Wissen und die Erfahrungen verschiedener Menschen anzuknüpfen18 (vgl. ebd.).
  • Multiperspektivität – damit ist zum einen gemeint, die verschiedenen historischen Perspektiven zu betrachten, wie beispielsweise die der Opfer, der TäterIinnen, der Zuschauenden oder Widerständigen, zum anderen aber auch das Miteinbeziehen der Perspektive der Lernenden, um eine tiefergehende Auseinandersetzung anzustoßen19 (vgl. ebd.).
  • Besuche von Gedenkstätten – Durch unterschiedliche methodische Zugänge werden bei den verschiedenen Orten beispielsweise die Verbindungen des Ortes der Gedenkstädte und ihrer Nachbarschaft gezogen oder die Argumentationsmuster antisemitischer und rassistischer Ideologien und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart untersucht, um einen Aktualitätsbezug herzustellen und einen Anknüpfungspunkt für verschiedene Lebensrealitäten zu bieten20 (vgl. Messerschmidt 2016: 17).
  • Die Kontinuitäten von antisemitischen und rassistischen Ideologien betrachten und aufzeigen – so können Anknüpfungspunkte an verschiedene Lebensrealitäten ermöglicht und eine Selbstreflexion angestoßen werden 21(vgl. ebd.). Gleichzeitig müssen diese in ihrem jeweiligen historischen Kontext betrachtet werden und dürfen nicht mit dem Holocaust gleichgesetzt werden.
  • Die Singularität des Holocausts – als beispiellos grausamer, bürokratisierter und industrialisierter Massenmord muss die Einzigartigkeit dieses Verbrechens im Vordergrund einer pädagogischer Bearbeitung des Themas stehen 22(vgl. Wetzel 2008).
  • Zeitzeug:innen und Zeitzeugnisse – das Einladen von Zeitzeug:innen kann einen empathischen und persönlichen Zugang zu der Geschichte für die Lernenden öffnen, es sollte jedoch ausführlich vorbereitet werden. Mit fortschreitender Zeit wird es schwieriger Zeitzeug:innen des Nationalsozialismus zu finden. Einen alternativen Zugang bieten Zeitzeugnisse, wie beispielsweise Text-, Bild- oder Filmquellen. Im Fokus bei beiden sollte die Reflexion der Quelle sowie die Wertschätzung der individuellen Erlebnisse und ihrer Verarbeitung stehen 23(vgl. Bildungsverbund für die internationale Jugendbegegnungsstätte Sachsenhausen e.V. 2008: 63f).

Zum Weiterlesen/Hören:

Quellen

Bildungsverbund für die internationale Jugendbegegnungsstätte Sachsenhausen e.V. (2008): „Dann sind wir ja auch die letzte Generation, die davon profitieren kann“ Reflexionen zur Rezeption von Zeitzeugengesprächen bei Jugendlichen/jungen Erwachsenen. https://www.vielfalt-mediathek.de/material/nationalsozialismus/_dann-sind-wir-ja-auch-die-letzte-generation-die-davon-profitieren-kann-reflexionen-zur-rezeption-von-zeitzeugengespraechen-bei-jugendlichen_jungen-erwachsenen (Letzter Aufruf: 13.07.2022).

Brandenburgische Landeszentrale für politische Bidlung (2012): Tag der Befreiung: 8. Mai 1945. https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/tag-der-befreiung-8-mai-1945 (Letzter Aufruf 20.08.2022).

Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung (2020): Ethnopluralismus. https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/ethnopluralismus (Letzter Aufruf: 17.07.2022).

Czollek, Max (2020): Desintegriert euch! München: Carl Hanser Verlag.

Gessler, Philipp (2006): Sekundärer Antisemitismus. Argumentationsmuster im Rechtsextremistischen Antisemitismus. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Antisemitismus. https://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37962/sekundaerer-antisemitismus?p=0 (letzter Aufruf: 11.01.2022).

Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (2020): Kontinuitäten. https://www.idz-jena.de/fileadmin/user_upload/PDFS_WSD7/Einleitung.pdf (Letzter Aufruf: 18.07.2022).

MEMO – Studie zur Erinnerungskultur in Deutschland (2022): https://www.stiftung-evz.de/was-wir-foerdern/handlungsfelder-cluster/bilden-fuer-lebendiges-erinnern/memo-studie/#c1524 (letzter Aufruf: 13.07.2022).

Messerschmidt, Astrid (2016): Kritische Gedenkstättenpädagogik in der Migrationsgesellschaft. In: APuZ – Aus Politik und Zeitgeschichte, 66. Jahrgang, Nr. 3-4, S. 16-22. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/218728/holocaust-und-historisches-lernen/  (Letzter Aufruf: 13.07.2022).

MiGAZIN (2017): Vier von zehn Schülern kennen Auschwitz nicht. https://www.migazin.de/2017/09/29/umfrage-vier-von-zehn-schuelern-kennen-auschwitz-nicht/ (Letzter Aufruf: 13.07.2022).

Schacht, Axel (2012): Holocaustvermittlung im Kontext der postnationalsozialistischen Migrationsgesellschaft. In. Gedenkstättenrundbrief Nr. 168, S. 3-15. GedRund168_3-15.pdf (gedenkstaettenforum.de) (Letzter Aufruf: 13.07.2022).

Thamer, Hans-Ulrich: Nationalsozialismus. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Handwörterbuch des politischen Systems. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/202075/nationalsozialismus/ (Letzter Aufruf: 18.07.2022).

Wetzel, Juliane (2008): Holocaust-Erziehung. https://www.bpb.de/themen/erinnerung/geschichte-und-erinnerung/39843/holocaust-erziehung/#node-content-title-0 (Letzter Aufruf: 20.08.2022).

Wildt; Michael (2012): Verfolgung. In: Bundeszentrale für politische Bildung – Informationen zur politischen Bildung: Nationalsozialismus: Aufstieg und Herrschaft, Nr. 314. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/136146/nationalsozialismus-aufstieg-und-herrschaft/ (Letzter Aufruf: 18.07.2022).

Welzer, Harald (2007): Die Deutschen und ihr „Drittes Reich“. https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/dossier-nationalsozialismus/39631/die-deutschen-und-ihr-drittes-reich/. (letzter Aufruf 30.08.2022)